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55 Puzzleteilchen über China (6)
Von Martina Bölck
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»Alles weiche nun von mir unter dem Himmel / Hier auf dem Heiligen Berg werde es klein ...«, heißt es in einem chinesischen Gedicht aus dem 16. Jahrhundert über den Aufstieg zum Tai Shan, einem daoistischen Berg in der Provinz Shandong. Es ist nicht auszuschließen, dass es auch heute noch Pilgernde gibt, die auf einem heiligen Berg eine spirituelle Erfahrung machen, die Eitelkeit der Welt erkennen und zu sich finden, aber es wird ihnen um einiges schwerer gemacht als dem Dichter vor 500 Jahren.

In China gibt es eine ganze Reihe von heiligen Bergen, die seit Jahrtausenden verehrt, besungen und bedichtet werden. Schließlich ist man da oben dem Himmel näher, sodass die verschiedenen religiösen Traditionen jeweils einige Berge für sich in Beschlag genommen haben, wobei sie es mit der Einteilung nicht so genau nehmen.

Auf einem daoistischen Berg darf durchaus auch ein Konfuzius-Tempel stehen oder eine buddhistische Gottheit verehrt werden (siehe Kapitel 11, S. 52). Wer in China etwas auf sich hält, versucht wenigstens die wichtigsten dieser Berge einmal im Leben zu besteigen, zur Not mit Unterstützung einer Seilbahn. Auf dem Tai Shan werden jährlich etwa sechs Millionen Besucherinnen und Besucher gezählt. Kein Wunder, heißt es doch, dass 100 Jahre alt wird, wer ihn bezwungen hat.

Nun darf man sich die Besteigung eines heiligen Berges keinesfalls wie, sagen wir, eine Alpenwanderung vorstellen. Das beginnt schon bei der Ausrüstung. Wanderschuhe sind die absolute Ausnahme, die meisten begnügen sich mit Sportschuhen, aber auch Lederslipper, Ballerinas oder Flipflops sind zu sehen. Tatsächlich ist festes Schuhwerk auch gar nicht so wichtig, denn der Weg zum Gipfel führt nicht über schmale Pfade und durch unwegsames Gelände, sondern über breite, wenn auch stellenweise recht steile Steintreppen.

Für den Tai Shan bedeutet das zum Beispiel, dass rund 1.300 Höhenmeter auf fast 6.500 Stufen überwunden werden müssen. Beim mühseligen Aufstieg kann man darüber meditieren, was für eine Arbeit es gewesen sein muss, diese Wege anzulegen. Aber schließlich pilgerten ja auch diverse Kaiser, reitend oder in einer Sänfte, mit ihrem Hofstaat zum Gipfel und brauchten eine entsprechende Infrastruktur.

Ein heiliger Berg ist eine Verbindung von Kultur und Natur, und man bezahlt dafür Eintritt wie in einem Museum. Nicht nur zahlreiche Tempel, Pagoden und Schmucktore säumen den Weg, sondern auch in Stein gemeißelte Kalligrafien von Kaisern, Dichtern und Weisen längst vergangener Zeiten. Die Natur ist kulturell überformt, um nicht zu sagen überfrachtet. Jeder Tümpel wird zum »himmlischen Teich«, jede besonders geformte Kiefer zur »Willkommenskiefer« und auch jede etwas bizarr geformte Steinformation bekommt einen eigenen, möglichst poetischen Namen. »Steigt man auf den Tai Shan, weiß man, wie klein die Welt ist«, besagt ein chinesisches Sprichwort.


 
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